Der Schweizer Krimi 2 –
BRENNSPIEGEL
Literatursoziologie ist «eine Richtung der Literaturanalyse, die insbesondere den gesellschaftlichen und soziokulturellen Bedingungen der Produktion und Rezeption von Literatur (…) Rechnung tragen will».(1) Definitionen sind bekanntlich spröde und unsinnlich. Der Blick auf die Wechselbeziehungen von Literatur und Leben fördert allerdings manch Lebenspralles zutage, wie der bunte Reigen von Beiträgen im vorliegenden Heft zeigt. Da ist von himmeltraurigen Schicksalen die Rede, von jenem des Verdingbuben Jakob Schöni oder der Jamaicanerin Beverly – ganz am Rande auch vom Leben Friedrich Glausers (die Zeit, in der sein Roman «Die Fieberkurve» entstand, war von Straffälligkeit und Klinikaufenthalten des Autors geprägt), wenn es im Glauser-Beitrag auch vornehmlich um Sprachliches geht. Auf ganz andere Weise interessant – durchaus auch im Lichte der Literatursoziologie – ist die moderne literarische Form der Kurzerzählung in «MordsSchweiz 2». Kurzerzählungen gibt es erst seit rund 200 Jahren; ihre Entstehung hängt eng mit der Entwicklung des Zeitschriftenwesens im 19. Jahrhundert zusammen. Und nicht unerwähnt bleiben soll schliesslich der Beitrag über die literarische Lesung, die zum Slapstick verkommt (hübscher Schlusssatz übrigens: «Ein unvergesslicher, ein magischer Moment»). Praller kann das Leben gar nicht sein …
Es ist ein schönes, lebendiges und immer auch wieder fröhliches und freundliches Heft geworden. Und dass jeder «Sprachspiegel» auch eine zweite Hefthälfte und mindestens eine Pointe enthält, wissen wir ja längst. Ich wiederhole: mindestens eine!
Katrin Burkhalter
(1) Simonis, Linda (2001): Literatursoziologie. In: Nünning, Ansgar (Hg.): Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe. Stuttgart und Weimar (Metzler), S. 385–387, hier: S. 385.