Sprachliche Zweifelsfälle –

BRENNSPIEGEL

Es ist lange her, es war noch im letzten Jahrhundert, als ein Computerspiel namens Lemmings sehr in Mode war. Die Spiel-Lemminge sind kleine Kunstgeschöpfe. Sie treten in Horden auf, sehen alle gleich aus und sind strohdumm, worüber wir mitleidlos lachten. Sie gehen unbeirrbar geradeaus, bis sie auf ein Hindernis stossen, in einen Abgrund stürzen oder – was wir besonders beeindruckend fanden – genuked werden, also durch eine explodierende Atombombe zu Tode kommen. Lemminge handeln blind, sind aber keineswegs schwach. Sie können z. B. in Windeseile Tunnel durch dicke Mauern graben. Lemminge verhalten sich wie Automaten. Sie tun, was alle anderen auch tun. Sie spulen das ihnen innewohnende Programm ab. Von Reflexion, Selbststeuerung oder Selbstschutz kann die Rede nicht sein. Die Aufgabe des Spielers besteht darin, die Lemminge vor sich selbst zu schützen, indem er möglichst viele von ihnen von einem Eingang an all den Hindernissen und Fallen vorbei zu einem Ausgang führt. Spielt der Spieler schlecht, gehen die Lemminge zugrunde.

Lemminge halten nie inne, denken nie nach, zweifeln nie. Das fällt mir ein, wenn ich über das Zweifeln nachdenke, um das es in diesem Heft geht.

Katrin Burkhalter