Schatzwort

gr, sss, dtd, sch – komplex, chaotisch, in sich selbst ­verschlungen: Schreibt man das Wort, stolpert man über die komplizierten Konsonantenverbindungen; im Grossstadtdschungel vielleicht über einen ­Pflasterstein oder ein E-Trottinett. Sicher aber nicht über eine ­Liane oder ­einen umgefallenen Baum, und man hört auch keine Dschungelbewohner wie Schimpansen oder ­Papageien.

Trotz der Gegensätzlichkeit von ­Grossstadt und ­Dschungel entfalten die beiden Wörter eine ­gemeinsame ­lautmalerische Wirkung – und laut ist in diesem ­Falle (meist) Programm: Autos rauschen, ­Lastwagen ­donnern vorbei, ein Tram quietscht in den Schienen. ­Strassenmusikanten musizieren, der Presslufthammer ­hämmert, Fahrradklingeln klingeln, Kinder lachen, und da, ganz leise, plätschert ein Brunnen. Es haben auch leise Töne Platz.

Komplex, chaotisch, in sich selbst verschlungen: Grossstadtdschungel eben.

Dieses Schatzwort vermochte meine Fantasie schon zu beflügeln, als ich noch ein Kind war. Ich dachte mir, dass Stockenten Holzstöcke aus dem Wasser holen, wenn ich sie ihnen reinwerfe – wie Hunde. (Sie taten es nicht.) Oder dass ihr Lieblingsessen vielleicht Kartoffelstock ist – wie meines.

Heute stelle ich mir gerne vor, wie sich der elegante Erpel einen schwarzen Gehstock unter den Flügel klemmt, wenn er mit seiner Entendame spazieren geht.

Eine Stockente kann aber auch noch etwas ganz anderes sein. Ein Zeitungsartikel darüber, dass Dagobert Duck seinen Stock zerbrochen habe, obschon das gar nicht stimmt, wäre eine typische Stockente, zum Beispiel. (In diesem speziellen Fall könnte man sogar von einer Stockentenente sprechen.)

Allerdings: Im Zeitalter von Fake News ist das Wort Ente in dieser Bedeutungsrichtung akut vom Aussterben bedroht. Es hat sozusagen ausgequakt.

«Bäuchlings» begegnet dir praktisch nie. Und auch die ­Gelegenheiten, «bäuchlings» zu sagen, sind selten.
(Ich schlafe bäuchlings, immerhin, aber wem sollte ich das erzählen.) «Bäuchlings» ist eine Kostbarkeit. Der Klang erst voller Fülle, um in der zweiten Silbe – «lings» – in Glitzern und Funkeln zu zerstäuben.

Kostbar auch das Gewordensein der Aussprache: Ein Umlaut, der den «Bauch» verschiebt, dessen Härte aufweicht; von Velum zu Palatum ist’s ein Sprung zum Gegensatz – statt des Zungenhintens, gegen den hinteren Gaumen, das Zungenvorne, gegen den vorderen Gaumen.

Und eigentlich klingt «bäuchlings» nach winzigen ­Knubbeltierchen, Tierchen, die in den Ritzen deines ­Parketts wohnten und hochhüpften, wenn du tanzt, weil du gerade festgestellt hast, dass alles halb so schlimm ist. Könnte ja sein.

«Bäuchlings» ist eine Wundersamkeit, ­fürwahr, eine, die gehört gehört, bäuchlings.